Förderpreise? Ja, bitte!

Nachwuchspreise besser als ihr Ruf - Beispiele aus Bremen und NRW

Frühjahr 2010: Der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst wird nicht einfach nur so vergeben. Mit einer Ausstellung, Führungen, Diskussionen und Konzerten verschafft er sich über mehrere Wochen hinweg immer wieder ein publizistisches und Publikums-Echo. Damit nützt er seinem Ziel, dem künstlerischen Nachwuchs Resonanz und potenziell einen Markt zu verschaffen, sicher mehr als so manche Standard-Veranstaltung in diesem Preisgenre.

Ein anderes Beispiel: In der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster bei Aachen fand im Sommer 2008 die Jubiläumsausstellung "50 Jahre Förderpreis für Bildende Kunst des Landes Nordrhein-Westfalen" statt; die Auszeichnung ist Teil des Förderpreises des Landes Nordrhein-Westfalen für Junge Künstlerinnen und Künstler. Am Beispiel von 15 Preisträgern der vergangenen fünf Jahrzehnte – darunter so illustre Namen wie Günther Uecker (1964), Klaus Rinke (1972), Ulrike Rosenbach (1977), Felix Droese (1981), Andreas Gursky (1989) oder Gregor Schneider (1995) sowie den neuen Preisträgern Robert Elfgen und Manuel Graf (2007) – belegte die Ausstellung, dass Förderpreise keine "Stiefkinder" der individuellen Künstlerförderung sind (oder jedenfalls sein müssen). Vielmehr wurde nach Auffassung der Landesregierung NRW "sichtbar, wie erfolgreich und zielsicher die staatliche Begabtenförderung im Bereich der Bildenden Kunst für die Entwicklung künstlerischer Potenziale ist." Und diese Potenziale sind, jedenfalls in der Bildenden Kunst, in NRW offensichtlich besonders groß. Selbst wenn die Gleichung Preis = Erfolg nicht immer aufgehen mag, können solche Auszeichnungen für ihre Empfänger auf jeden Fall die Chancen für ein Überleben im zunehmend komplexen Kulturbetrieb vergrößern, oft sogar so etwas wie "eine Initialzündung" bedeuten, wie der Direktor des Kölner Museums Ludwig, Kasper König, in seiner Eröffnungsrede betonte.

Auch das "Handbuch der Kulturpreise" hatte in seinen früheren Ausgaben Förder- oder Nachwuchspreise als eine wesentliche, zukunftsorientierte Komponente in einem professionell angelegten Fördersystem bezeichnet und zugleich festgestellt, dass Deutschland hier im internationalen Vergleich nicht einmal besonders gut dasteht.  Normalerweise beruht die Entwicklung künstlerischer Begabungen zunächst auf deren Entdeckung und frühen Ermutigung, auch im Elternhaus, gefolgt von geeigneten Qualifizierungsmöglichkeiten und Infrastrukturen (z.B. bezahlbaren Ateliers oder Probenräumen), parallel dazu auf der Unterstützung durch Mentoren und der Eigenaktivität in Netzwerken oder Projektgruppen, schließlich auf qualitätsbasierten Ermutigungen wie Förderpreisen oder Ankäufen, gepaart mit konstruktiver Kritik. Erst danach sind erweiterte Aufführungs-, Ausstellungs- oder Publikationsmöglichkeiten zu erwarten, winken eines Tages auch Hauptpreise, Akademiemitgliedschaften und andere Ehrungen.

Dass es mit einem wesentlichen Kriterium für die Wirksamkeit institutionalisierter Fördermaßnahmen, nämlich der Publizität bzw. öffentlichen Resonanz, gerade bei Förderpreisen oft weniger gut aussieht, steht freilich, wie oben angedeutet, auf einem anderen Blatt. Mit der neuen Internetpräsenz Kulturpreise Online, in der Förderpreise grundsätzlich genauso behandelt werden wie Haupt- und Ehrenpreise, kann jetzt durch bundesweit abrufbare Informationen dazu beigetragen werden, dass diese Formen der Unterstützung und Ermutigung etwas vom Ruch der "Provinzialität" verlieren, der ihnen häufig anhaftet, oder besser: angeheftet wird.

Dennoch ist auch von den Organisatoren selbst mehr Engagement und Einfallsreichtum zu fordern. Der Stadtstaat Bremen verfolgt z.B. mit seinem Förderpreis durch eine zweistufige Jurierung (regionale Nominierung, überregionale Auswahl) und ambitionierte Veranstaltungen schon länger eine Strategie, die kulturelle Öffentlichkeit herstellen hilft; sehen- und lesenswert auch die Bilanz nach drei Jahrzehnten Förderpreis: "As Time Goes By".

Den Förderpreisen in NRW, in Bremen und in den anderen Bundesländern ist zu wünschen, dass ihr öffentlicher Erfolg nicht auf Jubiläumsjahre beschränkt bleibt.

Andreas Joh. Wiesand

Literatur: Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: 1957-2007: 50 Jahre Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler, Verlag K-West GmbH, Essen 2007, 328 Seiten (kostenlose Publikation);
Manske, Hans-Joachim und Pfister, Rose (Hg.) im Auftrag der Städtischen Galerie und des Senators für Kultur Bremen: As Time Goes By. 30 Jahre Bremer Förderpreis für Bildende Kunst. Katalogbuch anlässlich der gleichnamigen Ausstellung vom 08.07. - 05.08.2007 mit Abbildungen der Preisträgerarbeiten und aktuellen Arbeiten von allen 30 Preisträgerinen und Preisträgern. 144 Seiten, ISBN 978-3-9809465-4-4. 25 €



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